Bericht No. 5 (Tage 9 bis 10)
lebenszeichen kein bericht
ihr kinder,
uns geht es sehr gut, die zu bewältigenden abenteuer gehen uns nicht aus, das wetter ist hervorragendes sommerwetter mit klarer luft, unbedecktem oder kaum bedeckten
himmel, die temperaturen liegen bei geschätzten 14-28 grad. wir studieren täglich etwas spannendes vom unesco-weltkulturerbe. ich fotografiere ohne unerlass.
deshalb sind wir abends körperlich und geistig so erschöpft, dass ich euch mit dem bericht no. 5 noch etwas vertrösten muss.
eure mutter karen wäre übrigens sehr erfreut und beruhigt, wenn sie einmal ein lebenszeichen per email bekommen würde.
grüße und küsse
von den alten
und hier kommt der bericht
ihr kinder in der kalten deutschen heimat,
es hat einige zeit gedauert, weil ich so beschäftigt war, nun sitzen wir am sonntag, dem 7. oktober, um 7:32 uhr im zug von datong nach pingyao und ich habe einige
zeit zum schreiben. der bericht geht aber - wie gewohnt - chronologisch vor.
1) bericht no. 4 hat damit geendet, dass wir uns im richtigen zug von beijing nach chengde bewegten. wir hatten plätze in einem "soft seater"-wagen, die sehr bequem
sind. die fahrt ging in gemächlichem tempo in nordöstlicher richtung in die berge. wir hatten herrliche ausblicke in eine zunächst hügelige, dann
mittelgebirgscharakter annehmende landschaft und auf die große mauer. der zug ist an seiner endstation chengde pünktlich um 12.35 angekommen. am bahnhof gab
es ein besonderes schauspiel: dutzende von schleppern und/oder taxifahrern versuchten den angekommenen, ihre dienste anzubieten - den reisenden in ein hotel ihres
vertrauens (des vertrauens der schlepper) zu verbringen oder zu rundfahrten einzuladen. wenn ich meinen zu hause präparierten zettel, auf dem name und adresse des
hotels in 汉字 - vulgo mit chinesischen schriftzeichen geschrieben - verzeichnet war, vorzeigte, bekamen wir nur abweisende gesten zu sehen, die manchmal für den
europäer so aussahen, als wollten sie uns zu verstehen geben, sie ließen sich von uns nicht verscheißern. tatsächlich war das hotel nur zwei bis
zweieinhalb kilometer entfernt. so schritten wir desillusioniert, aber mutig in richtung hotel aus, gleichzeitig nach bushaltestellen ausschau haltend. die
reisegötter hatten ein einsehen und ließen nach fünfhundert metern eine bushaltestelle vor uns aus dem boden wachsen. vom ausstieg bis zum hotel
in der pfirsich-pflaumen-straße hatten wir noch einmal fünfhundert meter packeselei zu bewältigen. dann waren wir beim "No. 1 Business Hotel" angelangt.
die rezeptionistinnen fanden unsere buchung und alles war in trockenen tüchern. wir fanden ein geräumiges zimmer in ruhiger lage mit üppiger ausstattung
von einweglatschen bis zu produkten für lustbarkeit und körperpflege vor und waren äußerst zufrieden. für den europäer befremdlich war
die abschirmung des gut ausgestatteten und geräumigen bades mit der toilette. sie bestand nämlich nur aus glas mit der durchsichtigkeit einer
fensterscheibe.
2) wir haben uns kurz au chambre erfrischt und sind gleich danach zu einer besichtigungstour aufgebrochen. es ging zur tempel- und klosteranlage von puning. der
berichterstatter wird jetzt etwas historischen hintergrund liefern, um dem leser die möglichkeit zu eröffnen, das zu lesende in seinem zusammenhang zu
verstehen. der reiz zur besichtigung von chengde und dessen kulturhistorische bedeutung gründen darin, dass es dem kaiser Kāngxī ( 康熙 kangsi ausgesprochen,
1661-1722, 4. kaiser der Qing-dynastie, der letzten in der geschichte des kaiserrreichs) im sommer in beijing zu heiß war und er eine sommerresidenz in den
kühlen bergen errichten ließ, in der die klimatischen bedingungen eher denen der heimat seiner mongolischen vorfahren entsprachen. er und seine nachfolger,
besonders enkel Qiánlóng (乾隆 - thszienlung ausgesprochen, 1735-1796), ließen eine park- und palastanlage - von der fläche der innenstadt von
siegburg - errichten und gestalten, in der sie ihre vorstellungen von der harmonie des lebens mit der natur und dem göttlichen kosmos verwirklicht sehen
wollten. zudem suchten sie nach integrativen zeichen, mit denen sie als nicht chinesischstämmige die nationalitäten im kaiserreich einzubinden versuchten.
schließlich hatte der erste der Qing-dynastie 1616 den kaiserthron nur unter einsatz kriegerischer gewaltanwendung dem letzten kaiser der han-chinesischen
Ming-dynastie entreißen können. mittel dieser integrations-ideologie war der bau der "Acht äußeren Tempel", in denen der religion der
beherrschten nationalitäten ein platz in der kaiserlichen machtausübung gewährt zu werden schien.
3) am ankunftstag stand die besichtigung des puning-tempels mit einem 23 meter hohen buddha, der aus einem einzigen sandelholzbaum geschnitzt worden sein soll, als
höhepunkt auf dem programm. abends haben wir das dem hotel angeschlossene restaurant besucht und dort die lokale spezialität hot pot mit genuss und freude
konsumiert,
4) im rahmen dieser bautätigkeit der Qing-kaiser entstand auch eine kleinere kopie des potala-palasts von lhasa, "wahrzeichen" des tibetanisch-lamaistischen
buddhismus. die gelegenheit, den potala-palast zu sehen, ohne die körperlichen strapazen einer eisenbahnreise, die bis zu fünftausend meter höhe erreicht,
und die kosten einer reise nach tibet auf sich zu nehmen, gaben in der planungsphase der reise den ausschlag, chengde ins programm aufzunehmen. für das bei dieser
besichtigung gesehene muss ich euch auf fotos vertrösten. hier kann nur berichtet werden, dass wir im inneren des achtzig meter hohen tempelgebäudes eine
nicht registrierte vielzahl von treppenstufen erklommen haben, um schließlich zur obersten terrasse zu gelangen. der aufstieg wurde immer wieder unterbrochen
von mit bewegtem und bewunderndem staunen wahrgenommenen statuen, anderen plastiken und bildern, sowie herrlichen ausblicken über das in einem weiten kessel
gelegene, aber auch hügelige chengde und die chengde umgebende mittelgebirgslandschaft. nach dieser besichtigung des "potala-palasts" stand der besuch der
englisch als mountain resort bezeichneten sommerpalastanlage auf dem programm, womit der tag weidlich ausgefüllt war.
5) seit wir beijing verlassen haben, kann man die anzahl zu beobachtender langnasen - uns ausgenommen - auf kleiner gleich fünf pro tag ansetzen. gleichwohl
leben wir uns immer mehr ein, kaufen benötigtes in supermärkten und suchen restaurants danach aus, ob sie für uns bezahlbar und attraktiv sind und nicht
ob die verständigung schwierig sein könnte. am zweiten und zugleich letzten abend in chengde haben wir in einem kleineren restaurant an der
pfirsich-pflaumen-straße hervorragend gegessen: grüne paprika mit rindfleisch in einer pikant scharfen sauce, fantastische blumenkohlröschen mit
speck im bambuskorb gedämpft, glasnudeln mit gemüse und im wok gebratene schweinemagenstreifen mit vielen verschiedenen gemüsen und gerührtem ei
(selbst die begleiterin des berichterstatters hat von diesem gericht gegessen). die rechnung betrug 67 yuan - ungefähr neun euro. wir waren von der handwerklichen
fähigkeit der köche begeistert und richtig pappsatt, so dass es mich überwindung kostete, danach das gepäck und die unterlagen für die am
frühen morgen des folgenden tages beginnende fahrt in die kohlestadt datong zu präparieren, die es als haupstadt von reichen im fünften jahrhundert
mit seinen yungang-höhlen zu einem eintrag in die liste des weltkulturerbes geschafft hat.
über die zeit in datong wird im bericht no. 6 rechenschaft gegeben. jetzt werden wir gleich unsere zum picknick im zug mitgebrachten suppentöpfchen mit dem
in jedem zug angebotenenen abgekochten heißen wasser aufgießen und ausschlürfen.
lasst euch die arbeit, die euch auferlegt ist, nicht zu schwer werden, denkt an eure weltreisenden alten eltern und seid vor allem gegrüßt
von peter&karen
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